Als der Bulldozer kam, hätte man eine Stecknadel fallen hören können!


Bersenbrücker Gymnasiasten besuchen KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen

Steine sind es nicht, Sand auch nicht, eher sieht es nach einem Haufen losen Mülls aus, was ein Bulldozer vor sich herschiebt, bis es in eine Grube hinunterfällt. Erst als die Kamera des englischen Soldaten näher an das schwere Gerät heranzoomt, erkennen die Schülerinnen und Schüler: Es sind menschliche Leichen, viele Leichen, die in ein Massengrab geschoben werden. Augenblicklich ist es mucksmäuschenstill im Filmraum der Gedenkstätte Bergen-Belsen, in dem sich die Bersenbrücker Gymnasiasten authentisches Filmmaterial ansehen, das die Briten kurz nach der Befreiung des Konzentrationslagers  erstellt haben – selbst schockiert, was für ein Ausmaß die Unmenschlichkeit angenommen hatte, die da im Namen der „master race“ geschehen war.

Kurz vorher hatten die Schüler im Rahmen einer Führung noch an einem der vielen Massengräber gestanden, die im April 1945 auf dem weitläufigen Gelände des ehemaligen KZ angelegt worden waren. Dort und an einer in ihren Fundamenten erhaltenen Toilettenanlage erläuterte die Begleitung, unter welch grausamen hygienischen Verhältnissen die Menschen in diesem Lager leben mussten. Besonders in den letzten Kriegsmonaten war Bergen-Belsen total überfüllt, weil aus mehreren Konzentrationslagern, die schon nahe an Front lagen, die Inhaftierten, überwiegend Juden aus ganz Europa evakuiert und ins Reichsinnere transportiert wurden. Und niemand tat etwas gegen diese unmenschlichen Bedingungen, sodass viele Juden seltener durch gewalttätiges Handeln der SS-Schergen starben, sondern infolge von Entkräftung für Infektionskrankheiten anfällig wurden und (auch noch) nach der Befreiung des Lagers dahinsiechten. Besonders berührend war für die Schüler in diesem Zusammenhang das Schicksal der 14 jährigen Anne Frank, die nach Verrat in Amsterdam über Westerbork nach Auschwitz kam und von dort wiederum nach Bergen-Belsen, wo auch sie Anfang 1945 um Leben kam.

Wenn auch Bergen-Belsen nicht zu den so genannten Vernichtungslagern zählt, erzählen die baulichen Reste, die vielen Funde, die bei Ausgrabungen gemacht werden konnten, sowie Fotos und Filme der britischen Soldaten die Geschichte eines unmenschlichen Regimes, das Menschen zwang und ermutigte, Mitmenschen zu demütigen, zu verachten und sogar zu töten. In Bergen-Belsen haben diesen NS-Wahn insgesamt etwa 50.000 Menschen zwischen 1939 und 1945 mit ihrem Leben bezahlt, ungezählte weitere nehmen die Erfahrung der Inhumanität mit, nachdem sie aus dem Lager entlassen werden konnten, viele darunter als elternlose Kinder.

Und am Rande bemerkt: Etwas irritiert schauen viele Schülerinnen und Schüler, als gar nicht weit entfernt ein dumpfes Donnern und anschließend ein längeres Knattern ertönt. Gehört das zur Gedenkstätte? Was hat es dann zu bedeuten? Die Antwort: ja und nein! Die Geräusche werden verursacht durch Bundeswehr und Nato-Truppen, die auf dem benachbarten Truppenübungsplatz Bergen-Hohne mit scharfer Munition Schießübungen machen und damit eine „Ortstradition“ weiterführen, die 1936 mit der Wehrmacht begann. Aus den Baracken der Bauarbeiter, die dieses Militärgelände in der Einsamkeit der Heide erstellten, erwuchs zunächst das Lager für Kriegsgefangene, insbesondere für sowjetische Soldaten, und politische Häftlinge, bevor Teile davon zum Konzentrationslager umgebaut wurden.

Bilder

Bergen 01An den Latrinen liest ein Schüler aus dem Tagebuch eines KZ-Häftlings. Bergen 02 „Marsch“ auf der Lager-hauptstraße
Bergen 03Der Schein trügt: Idylle gab es hier in der Nazizeit nicht.

Bergen 04Schlange-stehen für einen Hotdog: Vier Stunden Vortrag, Gang durchs                                Gelände, Ausstellungs-besuch und eigene Recherchen machen auch hungrig.

Bernd Zur-Lienen

Gymnasium Bersenbrück