„Am Anfang steht der Eukalyptusbaum“


Exkursion des Lk 11 Geographie in die Papierfabrik „Schoeller“ Osnabrück

Was haben unsere Schülerinnen und Schüler, Martin Luther und George Eastman, Gründer von „Kodak“, gemeinsam? … Richtig! Die Lösung heißt: PAPIER!

Jedem, der einmal die Schulbank gedrückt hat, ist bewusst, dass unsere Lernkultur nicht zuletzt auf dem klassischen Schreibheft und Schulbuch gründet – also auf Papier….

Und ohne die Gutenbergsche Erfindung des Papierbuchdrucks wäre es im 16. Jahrhundert wohl kaum möglich gewesen, die deutsche Bibelübersetzung Luthers in großer Stückzahl und damit mit durchschlagender Wirkung unters Volk zu bringen. Genauso wenig wäre es dem Amerikaner Eastman, Erfinder des Rollfilms, ohne Papier möglich gewesen, die Fotographie im 20. Jahrhundert als Hobby für jedermann zu revolutionieren.

Und hier kommt die Firma Schoeller ins Spiel, denn im letzten Jahrhundert, so der Referent der Papierfabrik, Herr Vollmer, gab es weltweit kaum einen papierenen Fotoabzug von Agfa, Kodak, Fuji und anderen, der nicht auf dem Fotopapier von Schoeller basierte…… Und das macht neugierig!

Der nun fällige Einwand, heute ist eh alles digital gespeichert, gilt in der Fotographie nur bedingt, da auch in der Zeit der Digitalkameras Fotoabzüge weltweit in Unmengen generiert werden, z.B. an den Abzugsautomaten diverser Drogeriemärkte.

Der Hauptproduktionsschwerpunkt, der 1895 in Osnabrück Lüstringen gegründeten Firma Schoeller, liegt auf der Herstellung von speziell beschichteten Papiersorten bzw. Folien für Dekorpapiere der Möbel-, Holzwerkstoff- und Tapetenindustrie sowie für professionelle Fotoausdrucke, mit denen zum Beispiel auch auf privaten Farbdruckern, die heutzutage in fast jedem Haushalt stehen, Farbbilder gedruckt werden können. Auf diesem Sektor ist Schoeller Weltmarktführer mit mehreren Standorten in Deutschland und Europa, aber auch in den USA, in Kanada bis hin nach Fernost, was bedeutet, dass man es hier mit einem hochkarätigen Global Player dieser Branche zu tun hat, dessen Vision und Motto „The leading surface company“ allein schon Grund genug ist, mit einem Erdkundeleistungskurs, der sich mit moderner Industriegeographie beschäftig, eine Betriebsbesichtigung durchzuführen……

Doch vor jedem Industrierundgang steht die „graue“ Theorie und so wurde die Exkursionsgruppe durch den Referenten zunächst in einem sehr ansprechenden Hörsaal, der sich architektonisch höchst interessant an eine historische Holländermühle, dem „Kristallisationskeim“ der Papierfabrik, anschmiegt, mit spannenden Fakten u.a. über die Herkunft und Eigenschaften des nachhaltig produzierten Ausgangsstoffs „Zellstoff“, die Zusammensetzung diverser Papiersorten, die Historie und den Umsatz der Firma, die Produktpalette, das Umweltengagement sowie die weltweit logistische Vernetzung in Vortrag, Bild und Film informiert.

Schon allein die Zahlen beeindruckten: So liegt zum Beispiel das Absatzvolumen jährlich über 350.000 Tonnen Papier, mit dem man, wenn man das seit der Gründung des Betriebs hochrechnet, die Erde bei einer Papierbreite von einem Meter rund 2080 mal am Äquator umwickeln könnte…..

Dass dieser Papiergrundstoff namens „Zellstoff“ – das ist ein weißer, faseriger, aus Cellulose bestehender Stoff, der nach Aufbereitung von Holz übrig bleibt, wenn das Lignin entfernt wurde – aus südamerikanischen Eukalyptusbäumen stammt, erstaunte alle Anwesenden, die in dem Zusammenhang eher an Hustenbonbons dachten…..

Der ursprünglich australische Eukalyptusbaum, ein Myrtengewächs, hat für die Zellstoffproduktion „unschlagbare“ Vorteile, denn er wächst unter bestimmten klimatischen und pedologischen Bedingungen sehr rasant, d.h. er ist schon in ca. acht Jahren mit 20 Meter Höhe „erntereif“. Im Vergleich dazu würde eine aus Nordeuropa stammende Kiefer des borealen Nadelwalds eine so genannte „Umtriebszeit“ vom Setzling bis zur Ernte von über 80 Jahren aufweisen! Zur enormen Produktivität an Biomasse gesellt sich ein weiterer Vorteil: man gewinnt aus dem Eukalyptus als Laubbaum einen besonders kurzfaserigen Zellstoff von höchster Qualität wie sie für diese Art der Papierherstellung benötigt wird.

Die sich anschließende Betriebsführung hatte mehrere Highlights aufzuweisen, wobei hier nur auf das absolut imposanteste, die Papiermaschine, eingegangen werden soll. Die riesige Halle, in der dieser Koloss steht, dominiert das gesamte Firmengelände. Steht man als kleines „Menschlein“ vor einem solchen „Riesen“, werden alle Sinne angesprochen. Er überwältigt zunächst mit schierer Größe! Eine Papiermaschine ist über zwei Stockwerke hoch, hat eine Siebbreite von ca. 12 Metern und etwa die Länge eines Fußballfeldes…. Sie ist heiß, dampft, zischt, riecht streng nach Waschküche und ist in rasender Bewegung. Über eine große Zahl schnell rotierender Rollen, Walzen und Trommeln schießt der weiße Zellstoffbrei nebst Ingredienzien mit Höchstgeschwindigkeit, wird gepresst und getrocknet, sodass am Ende etwa 2000 Meter Papier pro Minute auf dem „Tambour“ aufgerollt werden können!

„Nach diesem Erlebnis sieht man Papier mit anderen Augen“ – den Eindruck vermittelten auch die Oberstufenschüler in der anschließenden Nachbesprechung bei Limo und Burger. An dieser Stelle sei noch einmal der Firma „Schoeller“ für die Einladung und speziell Herrn Vollmer, dem Referenten, für den spannenden Vormittag gedankt!

(Für Technikfans noch eine Anmerkung: Den Zellstoffnachschub vom DB-Gleis besorgt eine werkseigene Dampfspeicherlok, die mit Heißdampf aus dem werkseigenen Kraftwerk feuerlos angetrieben wird!)

Gahm