Besuch der JVA Lingen Damaschke


Am 09.12.2019 besuchte der Kurs des Seminarfachs ´Soziales Seminar´ die Abteilung des offenen Vollzugs der JVA Lingen. Den hier untergebrachten straffällig gewordenen Männern werden im Gegensatz zu den im geschlossenen Vollzug Inhaftierten mehr Freiheiten übergeben. Sie tragen somit mehr Verantwortung. Da im offenen Vollzug keine oder nur reduzierte Vorkehrungen gegen Flucht getroffen werden, wird zunächst in der Abteilung Damaschke noch die Eignung der Inhaftierten untersucht. Es darf zum Beispiel keine Drogenabhängigkeit vorliegen, die Männer müssen sich selbst beherrschen können und gemeinschaftsfähig sein.

Die JVA Lingen Damaschke befindet sich mitten in einem Wohngebiet. Auf dem Areal gibt es mehrere Wohnhäuser, in denen innerhalb jedes Flurs eine Art Wohngemeinschaft eingerichtet ist. Angeschlossen an die Cafeteria, die nicht nur für Mahlzeiten, sondern auch für Besuche Raum bietet, ist eine Spielecke und ein Spielplatz für die Kinder der Männer, die hier nur am Wochenende die Möglichkeit haben, ihre Familien zu sehen. Ein Kreativraum, in dem besonders die kunstvoll bemalten Vogelhäuschen Eindruck auf die Besuchergruppe gemacht haben, und ein Fitnessraum können helfen, die Zeit in der Haftanstalt sinnvoll zu gestalten. Die Fußballmannschaft aus Mitarbeitern und Inhaftiertennimmt trotz der hohen Fluktuation der Mitspieler zeitweise sehr erfolgreich an Punktspielen teil. Daneben gibt es eine anstaltseigene Gärtnerei und Tischlerei, in der Häftlinge mit nicht straffällig gewordenen Menschen zusammen arbeiten. Die kleine Feuerwehr für die erste Hilfe im Brandfall befindet sich unter einem Dach mit der Tischlerei.

 

Falls es gewünscht ist, stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Gespräche zur Verfügung, bei Bedarf kann auch psychologische Beratung in Anspruch genommen werden. Antiaggressionstrainings, Suchtgruppen und Computerkurse stellen nur einen weiteren Teil des Angebots der JVA dar.

 

Der Schwerpunkt im offenen Vollzug liegt auf der Resozialisierung. Nach leichteren Delikten, bei Substitutionshaft, die z. B. angetreten werden muss, wenn eine Geldstrafe nicht bezahlt werden kann, oder am Ende einer im geschlossenen Vollzug abgesessenen Haftstrafe können die Insassen der Abteilung Damaschke sogar regulärer Erwerbstätigkeit außerhalb der Anstalt nachgehen. Vom Lohn werden dann auch die Kosten der Haft bezahlt.

 

Bei Personen, die bald entlassen werden, wird der Wiedereintritt in die freie Gesellschaft geübt. Manche leben nur wenige Monate in der JVA. Wer jedoch lange in Haft war, muss manchmal die für uns alltäglichsten Dinge erst lernen, z. B. wie man einen Einkaufswagen erst mit einer Münze nutzbar machen kann. Auch bei größeren Fragen helfen die Vollzugsbeamte: Sie stehen bei der Wohnungssuche, der Arbeits- oder Ausbildungsplatzvermittlung oder der Kontoeröffnung zur Seite.

 

Dem in vielen Köpfen vorherrschenden Bild von Gefängnis, das häufig von amerikanischen Spielfilmen geprägt ist, hat dieser Besuch im offenen Vollzug Lingen eine andere Vorstellung von Unterbringung und Umgang mit straffällig gewordenen Menschen entgegensetzen können. Es sind Menschen, die Fehlentscheidungen getroffen haben oder sich im Affekt strafbar gemacht haben. Kein Mensch sollte lebenslang auf sein Verhalten oder eine Handlung in der Vergangenheit reduziert werden. Eine Schülerin reflektierte, die Menschen in der JVA würden wie Menschen behandelt, es gehe um die Auseinandersetzung mit der ´Person´, nicht mit dem ´Täter´.

 

Anne Zech